"Am Anfang war das Bild ...!"
___________
Das Entwurfsgebiet liegt in einem Waldstück nahe Mühlheim an der Donau. Auf einer Lichtung, die nur zu Fuß zu erreichen ist, befindet sich die alte Wallfahrtskirche „Maria Hilf“. Die Kirche ist gezeichnet durch die verschiedenen Zeiten der Wallfahrt. 1649 beginnt mit einem Marienbildnis die Wallfahrt an diesem Ort, die Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht und eine zweite größere Kirche gebaut wird. Durch das Zeitalter der Au􏰁fklärung kommt es europaweit zu einem Bedeutungsverlust der Wallfahrt und folglich besuchen immer weniger Pilger die Kirchen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Kirchenschatz in der Gemeinde verteilt und die Kirche teilweise abgerissen. Um die Jahrtausendwende baut ein Förderverein Teile der Kirche wieder auf. Dennoch ist der Umgang mit dem Bestand und der Rekonstruktion einiger weniger Bauteile nicht geklärt. Es ist fraglich, ob diese Annahmen, die zum teilweisen Wiederau􏰀fbau führten, richtig beziehungsweise diesem Ort dienlich waren.
Dieser Entwurf setzt an dieser Fragestellung an und versucht ein Altes und Neues zu schaffen, das architektonisch klar getrennt ist, aber den Bestand als Kulisse benutzt. Zu diesem Zweck werden große Teile der Rekonstruktion wieder zurückgebaut und dabei Annahmen auf die ursprüngliche Kirche in Form und Ästhetik getroffen. In diese Ruine entwickelt sich im Hauptschiff ein kupferscheinender, schwach transluzenter Glaskörper. Dieser liegt zudem auf den Sockeln der ehemaligen Gewölbesäulen auf und wird dadurch vom Boden losgelöst. Das Neue legt sich über die Gestalt des Alten und setzt sich mit Fugen, Weitungen und Verengungen vom Bestand ab. Der Pilger wird durch eine gezielte Wegführung zum Umherschreiten und Innehalten in der neuen Architektur eingeladen.
Der sakrale Mittelpunkt der Kirche wird bewusst in den im Hauptschiff stehenden Körper verlagert. Im Innenraum verweist eine Lichtskultpur unterhalb der Decke auf ein nicht greifb􏰀ares Zentrum. Außenlicht dringt durch den zweischaligen Aufbau nur stark gefiltert und gerichtet in den Raum. Die Mystik und Ungreifb􏰀arkeit des Lichts und die damit verbundene Loslösung von der Architektur verleiht dem Raum eine erdrückende Ruhe, die zum Innehalten verleitet. Der Raum ist keines Wegs ein Ort zum Wohlfühlen. Allein soll hier ein Ort der Ruhe und Andacht entstehen.
Die Apsis ist als Gegenspieler zum geschlossenen, in sich gekehrten Körper entwickelt. Sie bildet ein Negativ zu den entfernten Wänden der Apsis aus. Zudem entsteht durch die Anpassung an das Gelände eine Sitztreppe, die axial zum Körper entwickelt wird. Das Zentrum der ehemaligen Apsis bildet eine leere, frei zu bespielende Außenfläche aus. Dieser Ort ist als Raum der Begegnung und Gemeinschaft zu beschreiben. Durch die gewollt nutzungsfreie Bespielbarkeit ist von Gottesdienst bis Theater- oder Musikaufführungen alles möglich. Die über dem ursprünglichen Kirchenboden liegende Bodenplatte setzt sich durch ihre Höhe und Material vom Bestand ab. Eine schmale "Brücke" zwischen Apsis und dem Hauptschiff bildet eine Schwelle zwischen diesen beiden Flächen und Räumen aus. Gerahmt wird diese Brücke durch beiderseitig axial verschobene Lichtstäbe, die bereits auf ein gewisses Innere der Architektur verweisen. Der Pilger wird durch einen als negativ abgebildeten Kreuzgang nach dieser Schwelle zum Eingang des Körpers geführt. Durch die Enge und dem stark schattierten Gang wird ein Filter zwischen Apsis und dem Körper aufgebaut.
Die Materialität des gesamten Entwurfs beschränkt sich auf Weißzementbeton für die Bodenplatten und Sitzstufen, sowie Glas mit dazwischen gelegten Netzen aus Kupfer. Die Materialien sind so ausgewählt, dass sie dem Konzept der Zurücknahme des Neuen nicht im Wege stehen, aber dennoch ausdrucksstark genug sind, eine neue Architektur zu begründen.